In meinem Blog finden sich meine Gedanken zu Team- und Lernkultur, Kommunikation und auch ganz persönliche Impulse. Viel Freude beim Lesen und danke für deinen wertvollen Kommentar dazu.

28.04.2023

Herausforderung: Hybride Veranstaltungen

Hybrid.png
Am 27.04.2023 fand das 11. meetup der Liberating Structures User Group Dresden statt. Zum dritten Mal haben wir uns an ein hybrides Setting gewagt. Dieses Mal waren wir an der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs), für die ich auch gerade als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „BediRa - Beziehungsarbeit im digitalen Raum – reflexive Professionalität durch ein Konzept für digitale Lehre fördern“ tätig bin.

Es waren 14 Teilnehmende in der ehs und 14 Personen online dabei. Zufällig perfekt ausgewogen.

Das Feedback der Teilnehmenden war positiv, aber dennoch habe ich mit meiner Perfektionistinnen-Brille einiges identifiziert, was noch besser laufen könnte. Ich habe also wieder was dazugelernt und möchte es nicht versäumen, dies zu teilen. So merke ich es mir auch besser. 😉

Key-Learning:

MACHT DAS NICHT ALLEINE! Das ist so ein Wahnsinnsstress. 

Schwierigkeiten:

Breakouts steuern, wenn TN im Raum auch eingeloggt sind, aber bei den Breakouts nicht dabei sind, weil sie in die Kleingruppen im analogen Raum gehen.

Möglichkeit: Steuerung durch eine zusätzliche Person (s. u. R2)
für Zoom: am besten alle betreffenden Personen zum Co-Host machen und dann bei Breakouts ausschließen

Die Digitalies kommen aus Breakouts zurück und Analogies reden noch.

Möglichkeit 1: Raum stummschalten - Aber wie fühlen sich dann die wartenden Digitalies?

Möglichkeit 2: Commitment mit allen zu Beginn, dass auf ein akustisches Signal im Raum wirklich alle Gespräche verstummen (Ich brauche einen Gong.)

Möglichkeit 3: aus dem digitalen Raum ruft eine verantwortliche Person fröhlich „wir sind wieder da“
(auch hier ist das Commitment aus Möglichkeit 2 eine feine Sache)

Ankommenssituation
Wie fühlen sich die Digitalies, wenn sie nichts hören, aber schon Leute sehen?
Wie fühlen sich Digitalies, wenn sie das „Volksgemurmel“ im Raum hören, aber nicht teilhaben können?

Möglichkeit: eine Person, die rein digital dabei ist und das steuert (s. u. R1)

Frage: Wie könnten angenehme hybride Ankommensszenarien gestaltet werden?

Welche 3 Rollen es meiner Meinung nach braucht, damit man solch ein interaktives meetup souverän und entspannt meistern kann:

R1 Kümmerer:in im digitalen Raum (nicht vor Ort), die quasi mitfühlt und ein bisschen steuern kann (Host):

. Menschen aus dem Warteraum einlassen

. Ankommen im digitalen Raum fröhlich begleiten, bis es losgeht (wichtig: Lautsprecher und auch Mikro im  analogen Raum wird erst angeschaltet, wenn es wirklich losgeht. Das „Anfangsgeplapper“ ist sonst sehr störend

. Chat (die Fragen, Methoden u. ä. in den Chat posten und auf Fragen im Chat antworten, ggf. zusätzliche Anweisungen geben, falls die Moderation im Raum nicht verstanden wurde

. Ggf. Bildschirm teilen, wenn es etwas zu zeigen gibt

. Enge Abstimmung (privater Chat in Zoom) mit P2

R2 Technikveranwortliche:r im analogen Raum (Co-Host):
Die Person ist sowohl in der Videokonferenz als auch im analogen Raum.

. nicht in die Moderation eingebunden, sondern steuert Ton und ggf. Kamera

. Ggf. Unterstützung beim Warteraum

. Ggf. Bildschirm teilen, wenn es etwas zu teilen gibt (z. B. miro oder menti o.ä.)

. Steuert die Breakouts (kann direkt Zeichen an Moderation im Raum geben, kurz bevor die Digitalies aus den Breakouts kommen)

. Enge Abstimmung (privater Chat in Zoom) mit P1

R3 Moderation im analogen Raum:
Das können auch mehrere Personen abwechselnd sein.

. Kümmert sich um ein gutes Ankommen im analogen Raum, bevor es richtig losgeht

. kümmert sich nicht um die Technik, aber darum, die digital Teilnehmenden in die Moderation einzubeziehen:
achtet darauf, abwechselnd in die Kamera und zu den Menschen im Raum zu sprechen; hat zu jeder Zeit im Blick, dass sie von allen gesehen wird (digital Teilnehmende nicht vergessen)

. gibt Anweisungen/Zeichen an P1 und P2

Die analog Teilnehmenden vergessen das mit der Kamera und dem Mikrofon irgendwann, vor allem wenn sie zur Leinwand schauen, um den Digitalies zuzuhören und dann selbst reden. Sie interagieren dann quasi mit der Leinwand und nicht mit der Kamera. Hier ist unbedingt eine permanente Sensibilisierung durch die Moderation zu erfolgen – also immer ansagen, wenn man eine Gruppe aufruft, dass immer mal auch in die Kamera geguckt wird.

Die Technik:

Wir haben eine Meeting Owl benutzt, damit die Digitalies besser sehen können, was im Raum passiert. Diese ist ideal für kleine Gruppen geeignet, die an einem Tisch sitzen. Im Raum waren wir 14 Personen - das ist schon fast zu viel. Leise sprechende Menschen am anderen Ende des Tisches wurden digital nicht so gut gehört. “Anstrengender, aber möglich”

Schwierigkeit:
Positionierung der Owl, so dass alle gesehen werden: Die Dynamik eines rein analogen meetups wird dadurch etwas ausgebremst (ich brauche unbedingt ein Stativ für die Owl, so dass ich diese flexibler im Raum platzieren kann, allerdings ist das Kabel auch nicht so lang, P2 muss also in der Nähe sitzen).

Hybride Gruppenarbeit:

Zwei Teilnehmerinnen haben ein Notebook mitgebracht und sich in die Zoom-Session eingeklinkt (im Vorfeld so vereinbart), damit wir hybride Gruppen ausprobieren können. Das hat grundsätzlich gut funktioniert, obwohl es sich für mich irgendwie komisch angefühlt hat, dass da in einem Raum voller “plappernder” Gruppen zwei Menschen mit Kopfhörern am Notebook saßen. Gedacht hatte ich es mir ursprünglich anders, aber ich habe es nicht klar genug anmoderiert. 

Was ich eigentlich wollte, war, dass sich Vierergruppen aus 2 Digitalies und 2 Analogies finden, also sich eine Person mit dem Notebook zusammen mit einer anderen Person in eine ruhige Ecke setzt und ich diese mit 2 Menschen in einen Breakout „schiebe“.

Schwierigkeit: Akustik im Raum – es müsste sicherlich ein zweiter kleiner Raum dafür eingeplant werden, dann müsste aber eine Person aus dem Hauptraum dafür sorgen, dass alle pünktlich zurückkommen, die den Raum verlassen haben. Suboptimal.

Wenn alle für eine Gruppenarbeit in den digitalen Raum gehen, dann wäre es zwar auch nur bedingt hybrid, aber man hätte alle für diesen Moment wirklich zusammen, eben im digitalen Raum. Das hätte den Charme, dass alle Gruppen auch auf dem digitalen Board ihre Ergebnisse dokumentieren. Das würde bedeuten, dass alle analog Teilnehmenden ein Endgerät dabeihaben. 

Natürlich ist hier die Frage, warum sich dann nicht alle gleich nur digital treffen – eine gute Frage, die ich mir immer wieder stelle. 

Meine Antwort: wenn wir das Setting so gestalten, dass sich „reine“ Sequenzen und hybride Sequenzen abwechseln, kann das ein gutes Erlebnis für alle Beteiligten werden. 

Der Aufwand ist definitiv höher, aber schon ganz allein deshalb, weil die örtliche Unabhängigkeit für einige wichtig ist, kommen wir nicht drumherum, hybride Formate anzubieten – eben auch im Hochschulkontext, in dem ich mich hauptsächlich bewege.

Zu entscheiden ist immer, was das Ziel meines Formates ist und wie ich es didaktisch-methodisch schaffe, dieses Ziel zu erreichen. Vor allem interaktive Formate sind eine Herausforderung, aber keine unlösbare. In der Hochschule empfehlen wir aus dem Projekt BediRa, die Studierenden als R1 und R2 und bestenfalls auch einmal als R1 einzubeziehen. So erreichen wir zusätzliche Verbundenheit und lernen alle gemeinsam, wie es miteinander gut funktionieren kann.

Feedback der Teilnehmenden:

Zwei Meinungen möchte ich hier kurz in den Fokus rücken:

Rückmeldung einer Online-Teilnehmerin:
„Für mich ist das eigentlich genauso wie digital, weil man hat ja die Gruppenarbeit mit den anderen digitalen Teilnehmer:innen und auch wenn sich jemand aus dem analogen Raum zuschaltet, ist das für mich ja auch jemand, der halt irgendwo an seinem Notebook sitzt.“

Wenn sich die Online-Teilnehmenden nicht abgehangen fühlen, sondern als wären sie in einem reinen Online-Meeting, hat das Setting und die Moderation doch gut funktioniert. Vielleicht ist das schon das beste Ergebnis, das wir im Moment erreichen können: Alle können von überall richtig gut mitmachen und fühlen sich „nicht - also wirklich 0,0 - wie das fünfte Rad am Wagen“.

Rückmeldung einer Offline-Teilnehmerin:
„Ich habe die digital Teilnehmenden kaum gemerkt.“

Es ist und bleibt eine räumliche Trennung. Wenn wir uns nicht wirklich ganz und gar auf das hybride Setting einlassen und auf alle Menschen achten, die dabei sind, verlieren Analogies die Digitalies eben aus dem Blick. Da im analogen Raum auch immer so viel los ist und eine ganz andere Dynamik herrscht (die mir fast schon zu viel ist – hach, ich liebe meine digitale fokussierte Welt), ist das auch ganz normal. 

Hier darf sich die Haltung der Analogies vielleicht noch ein bisschen verändern, so dass sie bewusster im hybriden Setting sind und auch bewusster mit den Digitalies interagieren. Und auch die Digitalies können viel offener den Austausch mit den Analogies suchen, wenn gerade beide Gruppen in einer Runde „beisammen“ sind.

Was ich mir dazu noch vorstellen könnte:
Bisher holen wir nacheinander die Ergebnisse aus der Kleingruppenarbeit ab und dann sprechen die Gruppen schön brav nacheinander. Wäre es nicht toll, dies dynamischer zu gestalten, also beispielsweise durch gezielte Fragestellungen den Austausch zu den Ergebnissen anzuregen, so dass die Digitalies bestimmte Analogies ansprechen und andersherum? In den meetups sind wir ja zum Ausprobieren von Strukturen, aber wir in der Dresdner Gruppe haben irgendwie bisher immer zu wenig Zeit für den Austausch nach einer Struktur eingeplant, weil wir möglichst viele Strukturen probieren wollen. Vielleicht gestalten wir zukünftig zwei unterschiedliche Formate:

1x jährlich: Hybrid mit einer komplexeren Struktur, die dem Austausch dient
(Ich finde es spannend, hier weiter zu experimentieren.)

alle anderen Termine: rein analog oder digital zum Ausprobieren von verschiedenen Strukturen

FAZIT
Wenn alle Beteiligten aufmerksam und mit einer positiven experimentiertierfreudigen Einstellung an die hybride Sache herangehen, wird das eine wunderbare gemeinsame Lernerfahrung.

Und zum Abschluss noch ein paar Dankesworte.
Ich danke Silke Geithner (Rektorin ehs), Ivonne Zill-Sahm (Prorektorin ehs) und Julia Kleppsch (liebe Kollegin aus dem Projekt BediRa) von Herzen für den Raum und die Unterstützung. Ich danke allen, die da waren für die Offenheit und das aktive Mitmachen.

P.S.: Die Digitalies hatten zwar keine leckeren Brötchen, aber dafür mussten sie auch nicht am Ende mit aufräumen. 😉

Leitthema des meetups:
(Digitale) Beziehungen

Ausprobierte Methoden:
Impromptu Networking als Check-In
1-2-4-All mit der Frage: Beziehungen digital oder analog - gibt es Unterschiede? Was ist dir wichtig?
Max Specs/Min Specs mit der Frage: Was braucht es für dich für ein gelungenes Miteinander im digitalen Raum?

Hier die Ergebnisse des MinSpecs der Online-Gruppen:

eregbnis_LS.jpg

Die Moderationskarten der Offline-Gruppen wollte ich noch fotografieren, aber irgendwer hat eifrig aufgeräumt und weg waren sie. Schade. Noch so ein Grund, warum online super ist - die Dokumentation ist digitalisiert. 

Hier als Leseempfehlung eine spannende sehr umfängliche Handreichung zu hybriden Formaten:

Hybrid Vermitteln
Eine Handreichung für hybride Veranstaltungen in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung auf Basis der Erfahrungen bei WeltWeitWissen 2022
👉🏻 https://weltweitwissen2022.de/www2022/hybrid-vermitteln/

Sandra - 11:06 @ Lernen und Lachen | Kommentar hinzufügen

 
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